Der Amerikanist Ralph J. Poole setzt sich in der vorliegenden Untersuchung mit einem der großen Tabuthemen der westlichen Kultur auseinander. Im Anschluß an die bahnbrechenden Studien des amerikanischen Ethnologen William Arens sowie die postkolonialen Analysen des britischen Kulturwissenschaftlers Peter Hulme begreift er die Anthropophagie als ein diskursives Phänomen: Europäische und amerikanische Repräsentationen kannibalischer Praktiken sagen demnach weniger über die fremden Kulturen aus, denen man sie zuschreibt, als über die westlichen Gesellschaften selbst, die von dem Bedürfnis angetrieben werden, das Andere zu exotisieren und zu barbarisieren, um sich ihrer eigenen Identität zu vergewissern. Kannibalismus ist ein kulturelles Konstrukt des Westens. In der älteren Reiseliteratur dient es dem Zweck, eine rigide Opposition zwischen dem Eigenen und dem Fremden zu etablieren. In der neueren Literatur taucht der Kannibalen-Topos laut Poole hingegen vermehrt in kultur- und gesellschaftskritischen Zusammenhängen auf, in denen diese Differenz dekonstruiert und zum Vehikel für die Vermittlung dissidenter Einstellungen (vor allem im Bereich der Sexualität) umfunktioniert wird.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2007.01.43 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1866-5381 |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2007 |
Veröffentlicht: | 2007-04-01 |
Seiten 206 - 209
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