Während zu der Aufarbeitung von Konquista und Kolonialzeit im lateinamerikanischen Roman mittlerweile relativ viele Studien vorliegen, bleibt ihre Behandlung im neueren, oft als postkolonial oder postmodern etikettierten spanischen Roman weitgehend unbeachtet. Das mag auf die Marginalisierung dieses Themas in den zum Literaturkanon gehörenden Werken spanischer Schriftsteller zurückzuführen sein, die in ihrer unbeirrten Ausrichtung auf das Erbe des Franquismo die Relevanz der Kolonialzeit für eine zeitgenössische spanische Identitätssuche zu vernachlässigen tendieren. Mit Blick auf die zahlreichen Aufarbeitungsversuche im neueren und neuesten spanischen Roman, so etwa bei Juan José Armas Marcelo (1982), Ramón Hernández (1992, 1995), José Luis Muñoz (2002) und Matilde Asensi (2003), erscheint jedoch dringender Bedarf für eine Annäherung an die “vergessenen” spanischen Perspektiven. Armas Marcelos Las naves quemadas bietet wegen seiner frühen und in vieler Hinsicht vorbildhaften Behandlung der Thematik eine gute Grundlage hierzu. Eine Verbindung von Thesen aus seiner Essayistik mit dem Ansatz der bachtinschen Literaturtheorie führt zu der Arbeitshypothese, dass der Roman das offizielle humanistisch geprägte Konquistabild mittels karnevalesker Dekonstruktionsstrategien auflöst. Die literarische Perspektive inszeniert Eroberer, die zur Verbreitung renaissantistischer Ideale unfähig erscheinen und im Rahmen unterschiedlichster Obsessionen nicht nur das weiblich imaginierte Andere der neuen Welt brutal unterdrücken, sondern zugleich immer auch ihre eigene Erniedrigung, Marginalisierung und Eliminierung vorbereiten. Bei aller Dekonstruktion kolonialer Perspektivik und gleichzeitig auffallender Distanz zu indigenen Interpretationsansätzen vermag sich allerdings auch Armas Marcelo nicht völlig von neokolonialen Denkmustern zu lösen.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2007.01.08 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1866-5381 |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2007 |
Veröffentlicht: | 2007-04-01 |
Seiten 67 - 86
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