Lange Zeit mußten Gozzis Fiabe teatrali, anders als zur Zeit ihrer Entstehung, stets hinter Goldonis Theaterstücken zurückstehen, weil allein hier die wahren Neuerungen und die grundlegende Theaterreform zu finden seien, während Carlo Gozzi als konservativ oder gar reaktionär eingestuft und entsprechend die von ihm geschaffene Theatergattung, die die vermeintlich überholte commedia dell’arte in neuer Form einbezog, als rückwärtsgewandt abgetan wurde. Diese Situation wandelte sich in den vergangenen Jahr zehnten, in denen von verschiedenen Seiten den Märchenstücken neue Aufmerksamkeit gewidmet wurde, grundlegend, insofern nun insbesondere die Eigengesetzlichkeit dieser Stücke stärker in den Mittelpunkt gerückt wurde, so daß sie weder als bloße Fortschreibung der commedia dell’arte-Tradition noch als pure Polemik, die sich gegen Goldonis und Chiaris Erfolge richtete, gesehen wurden. Begünstigt wurde diese neue Einschätzung, außer durch ludische und selbstreferentielle Formen auch in Literatur und Theater der Gegenwart, die den Blick auf Vergleichbares in früheren Jahrhunderten lenkten, gewiß zugleich durch Entwicklungen außerhalb der Literatur- und Theaterwissenschaft im engeren Sinne. Denn zum einen entstand gleichzeitig ein neues Interesse an der commedia dell’arte selbst, das sich nicht nur in wissenschaftlichen Tagungen manifestiert, sondern ebenso in neu gegründeten Schauspieltruppen samt ihren Aufführungen und auch in Kursen, in denen Laien das Spiel oder Herstellung und Gebrauch der Masken u.ä. erlernen können. Zum anderen trug wohl ebenso die Tatsache, daß mehrere Stücke Gozzis die Grundlage bis in die Gegenwart häufig aufgeführter Opern darstellen – erinnert sei nur an Prokofjews Liebe zu den drei Orangen, an Henzes König Hirsch oder an Puccinis und an Busonis Turandot –, zum neu erwachten Forschungsinteresse an den Fiabe teatrali bei, das zugleich den Blick auf die italienische Theaterlandschaft des 18. Jahrhunderts insgesamt entscheidend modifizierte und differenzierte.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2012.02.54 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1866-5381 |
Ausgabe / Jahr: | 2 / 2012 |
Veröffentlicht: | 2012-12-14 |
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