Obwohl die geistigen Verbindungen zwischen Villon und Baudelaire nicht zu übersehen sind und auch ausgiebig untersucht wurden, befasste man sich bisher nicht eingehender mit Baudelaires ausdrücklichem Hinweis auf Villon in seinen kunstkritischen Schriften und fragte sich kaum, wie er am besten zu verstehen ist. Die Anklänge an die “pies, corbeaux” der “Ballade des pendus” in Baudelaires Gedicht “Un Voyage à Cythère” wurden dagegen von Forschern und Kennern nicht überhört, sowenig wie die in Rimbauds “Bal des pendus”. Des großen Vorgängers schaurig-schöne Bilder des zerfressenen und verfaulten Leibes werden in dem Gedicht geradezu parodistisch übertrieben, um die Erscheinung des vor allem von Vögeln zernagten Elenden, des “pendu déjà mûr” und “ridicule pendu”, in seinem erbärmlich verstümmelten Zustand mehr als anschaulich zu machen. In der am Galgen hängenden Gestalt erkennt voller Hassliebe der schwermütige, sich selbst ironisierende moderne Dichter sein eigenes Los. Von der äußeren Anschauung des Gehängten führt das Gedicht hinüber in die innere Anschauung des Betrachters, welcher sein Lebensunglück in den makaberen “Leidensformen” des bei fortbestehendem Bewusstsein zerfetzt werdenden Toten gespiegelt sieht. Entsetzt über die menschlichen Verfehlungen, seine eigenen allzumal, bittet der Dichtende Gott, ihm zu helfen sich selbst zu ertragen. Claude Pichois kommentiert: “Dans la description complaisante de toutes ces horreurs il y a des souvenirs des Jeune-France, de Gautier et même de Villon (la Ballade des pendus), mais à l’état de réminiscences.” Neben Watteau und Nerval ist also Villon in Baudelaires Gedicht mit Versen über Tod und Jenseits, darunter neben denen der Ballade vielleicht auch die Strophen XL und XLI des “Großen Testaments”, geistig gegenwärtig.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2011.01.09 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1866-5381 |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2011 |
Veröffentlicht: | 2011-06-30 |
Seiten 127 - 136
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