Die hier anzuzeigenden Bücher behandeln unterschiedliche Erscheinungsweisen „dissidenter Kommunikation“ im literarisch-publizistischen Katholizismus des 20. Jahrhunderts. A. Leugers’ dahinführende Leitfrage lautet, „ob es während der antimodernistischen Phase, also etwa zwischen dem katholischen Literaturstreit und dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1908–1962), neben Beharrungskräften auch Wandlungsprozesse gab, die das Schwinden dominanter, kirchlich vermittelter Weiblichkeitsvorstellungen im Leben und im Werk von katholischen Schriftstellerinnen belegen.“ Als dissidente Kommunikation thematisiert C. Del Valle Lattanzio das Schreiben ‚bekennender‘ männlicher Homosexueller über männliche Homosexualität im Erzählwerk Fernando Vallejos und Josef Winklers und beobachtet die „Verschriftlichung des in der katholischen Gesellschaft Verschwiegenen“ näherhin auf „Ambivalenzen“, bei denen ein „obsessiver Angriff auf die katholische Religionskultur […] die Form einer erotischen Annäherung an das verhasste und geliebte Kritikobjekt des Katholizismus an[nimmt]“. In den Fallstudien von Leugers und Del Valle Lattanzio artikuliert sich dissidente Kommunikation also in Abweichung katholisch sozialisierter Autorinnen und Autoren von und im Widerspruch zu den heteronormativen Geschlechtermodellen, die als autoritativ verkündete Lehrmeinung der katholischen Kirche zur Zeit des Entstehens und der Publikation der hier untersuchten Texte die moralische Vorstellungswelt ihrer katholischen Leserschaft bestimmten. Anders hingegen liegt der Fall bei der Arbeit von Kr. Mateescu, einer Dissertation wie diejenige Del Valle Lattanzios: Als dissidente Kommunikation im Katholizismus erscheinen dort Texte katholischer Autoren, die in der katholischen Kulturzeitschrift ‚Hochland‘ zwischen 1933 und 1941 veröffentlicht wurden und sich auf verdeckte, jedoch für sog. ‚Eingeweihte‘ erkennbare oder von ihnen erschließbare Weise von der nationalsozialistischen Weltanschauung absetzten. Ihr Dissens galt also nicht dem lehramtlichen Katholizismus, sondern in einem von katholischen Laien und Intellektuellen geschaffenen publizistischen Umfeld dem Nationalsozialismus als christentum- und kirchenfeindlicher Ideologie.
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2024.01.11 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1866-5381 |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2024 |
Veröffentlicht: | 2024-05-22 |
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