Die historische Epoche der Restauration in Frankreich wird von Stendhal in großer zeitlicher Nähe in literarische Repräsentation übersetzt. Während die Optik in Lucien Leuwen (1834) und La Chartreuse de Parme (1839) schon deutlich retrospektiv ist, sind die ersten beiden Romane Stendhals, Armance (1827) und Le Rouge et le Noir (1830), eine unmittelbare Bezugnahme auf diese Umbruchszeit, namentlich die Unmöglichkeit der Restauration. Eine solche politische Relektüre der beiden frühen Romane Stendhals bildet den Kern der in vieler Hinsicht aufschlussreichen Studie von Anna-Lisa Dieter, die insbesondere der Interferenz von religiöser und erotischer Semantik nachgeht, die sich im christlichen Wundenkult verdichtet. In Dieters spannender Neuinterpretation löst Stendhal nicht einfach Romantik durch Realismus ab, sondern Stendhals Realismus exponiert «das leere monarchische und religiöse Zentrum der Restauration». Hier wäre sicher entgegenzuhalten, dass Stendhals Verortung im Realismus seit jeher, auch durchaus in «Literaturgeschichten», keineswegs eindeutig ist beziehungsweise immer schon schillernd war. Auch mag es mit Blick auf die multiplen Formen und Ursprünge des europäischen Realismus überpointiert sein, von der «Entstehung des Realismus» zu reden beziehungsweise ihn scheinbar grundsätzlich an dieses politische Movens zu binden: «Realismus gründet auf der Abwehr der Restauration».
DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1866-5381.2021.01.35 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1866-5381 |
Ausgabe / Jahr: | 1 / 2021 |
Veröffentlicht: | 2021-05-26 |
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